Am 14. August dieses Jahres bin ich tatsächlich 60 Jahre alt geworden und ich weiß noch, wie ich dachte: „Ach verdammt, als meine Eltern 60 wurden, waren sie für mich irgendwie alt.“ Selbstverständlich fühle ich mich nicht wie 60, ich sehe (zum Glück) auch nicht wie ein 60-Jähriger aus, aber es geht nun mal kein Weg dran vorbei  – die Zahl steht. 60 bedeutet aber auch, dass ich 1983 ziemlich genau 19 Jahre alt war, selbst einigermaßen gut gekickt habe, begeisterter HSV-Fan war (damals war es tatsächlich noch der HSV) und ich das Spiel in Athen ebenso live gesehen habe wie diverse andere Spiele inkl. Meisterschaften. Ich war bei vielen Schlachten mit Magath, Keegan, Kaltz, Kargus und Hidien live im Stadion und habe mir mehr als einmal in der unüberdachten Westkurve den Arsch abgefroren oder, wenn ich viel Glück hatte, auf einer Holzbank auf der Haupttribüne gesessen. Wenn mir damals jemand erzählt hätte, dass dieser Verein irgendwann und während meiner Lebenszeit 7 Jahre in der zweiten Liga gegen Ulm, Elversberg oder Münster spielen würde, ich hätte ihn ausgelacht. Wenn mir jemand erzählt hätte, dass mein HSV in der Liga der Maltafüße dahindümpelt, während im deutschen Oberhaus Vereine wie Augsburg, Freiburg, Heidenheim, Kiel, Hoffenheim oder Mainz spielen würden, wenn ein Klub aus Leverkusen Meister werden könnte, ich hätte mich vor Lachen nicht wieder eingekriegt, das war absolut undenkbar. 

 

 

Aber – das war gestern und mein (unser) großes Pech ist offenbar das Pech der frühen Geburt, denn viele von denen, die heute Identitätsbetrüger wie Daffeh oder Dopingtäter wie Vuskovic bejubeln, kennen diese Zeiten nicht und wenn, dann aus dem KSV-Museum. Für sie sind dies zwar Zeiten, auf denen sie ihr dummes Gelaber von wegen „Tradition“ aufbauen können, aber sie wissen nicht, wie es sich anfühlt, wenn man Fan eines Vereins ist, der um die deutsche Meisterschaft mitspielt, der in Europa eine führende Rolle einnimmt, der in seinen Reihen zahlreiche Nationalspieler hat und zwar nicht aus Surinam. Sie wissen es nicht besser, weil sie es nicht besser wissen können, aber ich habe unglücklicherweise eben nicht nur die Sonnenseiten dieses Vereins erlebt, sondern ich war auch Zeuge, wie dieser Klub vorsätzlich von ein paar Selbstdarstellern und Profiteuren ruiniert und ausgenommen wurde, eine Erfahrung, die diese Menschen ebenfalls nicht kennen, weil sie zu der Zeit noch mit einer Rassel in der Hand im Einteiler um den Weihnachtsbaum gerannt sind. Sie denken, dass dieser Verein so sein muss, wie er jetzt ist, sie halten eine Existenz im oberen Drittel der zweiten Liga für so etwas wie Erfolg, für mich ist jede Saison im Unterhaus ein Tritt in die Eier, vor allem wenn man bedenkt, mit welchem finanziellen und personellen Einsatz dieser „Erfolg“ erzielt wird.

Meine Probleme sind nun folgende: 1. Ich kann mich nicht jünger machen und 2. ich kann meine Erinnerungen nicht löschen. Es macht mich krank, was man vorsätzlich aus diesem Verein gemacht hat und es macht mich noch kränker, wenn man diesen Zustand auch noch abfeiert, anstatt alles dafür zu tun, dass es anders wird. In meiner Welt kann man als HSV nicht „fein sein“ mit einer Existenz in dieser Krüppelliga, man kann ein 2:2 in Kaiserslautern nicht medial abfeiern wie das 1:0 gegen Juventus, das geht einfach nicht zusammen. Ich weiß, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann und ich weiß auch, dass ich mich wahrscheinlich anhöre wie „Opa erzählt vom Krieg“, aber man investiert nach wie vor Millionen und Aber-Millionen, mehr als so gut wie jeder andere Verein in dieser Liga und man entwickelt sich eher zurück als vorwärts, wie kann das bitte sein? Und vor allem: Wie kann man damit glücklich und zufrieden sein? Und noch eines bitte ich zu bedenken: All dies, all der Verfall, der Abstieg, der Status des Zweitliga-Dinos, all das hat absolut nichts mit Finanzen oder zuwenig Geld zu tun. Weder Heidenheim, noch Union Berlin, Augsburg, Freiburg Mainz oder Kiel haben einen Kühne, der im Laufe der letzten Jahre mehr als € 150 Mio. in diesen Verein gepumpt hat. Nimmt man diese Millionen und addiert dazu das Geld, das dem Verein durch verpasste Aufstiege durch entgangene TV-Gelder durch die Lappen gegangen ist, plus die € 23,5 Mio. durch den Verkauf des Vereinsgeländes, plus € 11 Mio. Corona-Beihilfe, plus € 35 Mio. durch zwei Fan-Anleihen so kommt man locker auf eine Summe von über € 300 Mio. in den letzten 10 Jahren. Das sind Gelder in Dimensionen, die bis auf ganz wenige Ausnahmen in Deutschland kein anderer Klub zur Verfügung hatte. 

Aber anstatt dies auch nur einmal ansatzweise zu thematisieren, freuen sich die Hofberichterstatter darüber, dass man die neuen sensationellen KSV-Ecken „so wie nicht verteidigen kann“. Es ist zum Niederknien erbärmlich.