Ich erinnere mich tatsächlich, als wäre es gestern gewesen, dabei ist es gefühlt bereits ein halbes Leben her. Es war der 19. Mai 2019, an diesem Tag starb der HSV. Emotional verabschiedet hatte ich mich nach mehr als 40 Jahren Fan bereits seit 2014, nachdem man ausgegliedert hatte und nicht ein Versprecher aus der Agenda von HSVPLUS tatsächlich umgesetzt hatte. Wie bereits mehrfach geschrieben, hatte ich mich im Vorfeld der Ausgliederung sehr für diese engagiert, weil ich eine dramatische Neu-Orientierung des Vereins aufgrund der Entwicklung der letzten Jahr für unabdingbar hielt. Was dann jedoch im Anschluss passierte, Gestalten wie Gernandt und Beiersdorfer diesen Verein vergewaltigen durften, wie aus den angekündigten „strategischen Partnern“ eine Anschubfinanzierung durch Kühne wurde, das alles führte dazu, dass ich nicht mehr von Woche zu Woche mitfieberte, dass ich diesen Verein von Tag zu Tag emotionsloser verfolgte. Und dann kam der 19. Mai 2019.

Es war der letzte Spieltag der Saison 2018/19, die erste Zweitliga-Saison des ehemaligen Bundesliga-Dino. Der Abstieg sollte eigentlich als einmaliger Betriebsunfall wahrgenommen werden, der direkte Wiederaufstieg war nicht nur geplant, er war sicher. Man beschäftigte Spieler wie Sakai, van Drongelen, Hunt, Douglas Santos, Holtby, Lasogga, Mangala, Vagnoman, Hwang und diverse andere Bundesligaprofis und nach einem 1:1 im Heimspiel gegen die Weltauswahl von Schmerzgebirge Aua war man immer noch Tabellenzweiter, nach dem 30. Spieltag. Was dann folgte, war unbegreiflich. Zuerst ein 0:2 bei Union Berlin (31. Spieltag), dann eine 0:3 Heimklatsche gegen den späteren Absteiger Ingolstadt (32. Spieltag), gefolgt von der nächsten Pleite, ein 1:4 beim SC Paderborn (33. Spieltag). Angesichts von 3 Punkten und 21 Toren Rückstand auf Platz 3 war der fest eingeplante Aufstieg trotz eines Bundesliga-Kaders bereits vor dem letzten Spieltag abgehakt. Für mich Anlass genug, mir dieses letzte, bedeutungslose Saisonspiel live anzutun, es sollte mein letzter Besuch in der tropfenden Volksparkruine werden. Aber ich wollte es wissen, ich wollte wissen, wie das Publikum, wie vor allem die Hardcore-Fans auf diese Blamage, auf dieses Totalversagen reagieren würde. Was dann passierte, war und ist für mich der Todesstoß für diesen Verein gewesen und ist es bis heute.

 

 

 

Der KSV (denn ab jetzt war es der KSV für mich), gewann dieses Spiel um die goldene Ananas mit 3:0, die Partie hatte nicht viel mehr als Testspiel-Charakter, der KSV konnte nicht mehr aufsteigen, Duisburg war bereits sicher abgestiegen, es war eigentlich alles egal. Was nicht egal war, war die Reaktion des Publikums, denn sie war wegweisend und ausschlaggebend für all das, was wir bis heute sehen. Schiedsrichter Rohde pfiff das Spiel ab und nun begann für mich der spannenste Teil des Tages, was würde passieren? Ein gellendes Pfeifkonzert? Ein versuchter Platzsturm? In die Kabine flüchtende Fußball-Millionäre? All dies wäre mehr als angebracht gewesen, doch zu meinem absoluten Unverständnis feierten die dümmsten Fans der Welt eine Mannschaft, die auf dem Platz stand und nicht begriff, was gerade passierte. In diesem Moment verabschiedete sich dieser Verein von allem, was Profisport ausmacht, es war die Geburtsstunde der geisteskrankesten Wagenburgsekte, die der bezahlte Fußball je erlebt hat. Denn das Signal der Vollpfosten war klar: Solange ihr uns für wichtig haltet, könnt ihr machen/spielen, was ihr wollt, der KSV wurde im Mai 2019 von jeglichem Leistungsgedanken entkoppelt. An diesem Tag, diesem 19. Mai 2019 wurde aus einen Fußballklub eine Sekte und in der Folge wurde dieser Dreck von einem Sektenführer Judas Boldt von Tag zu Tag mehr kultiviert. In einer Welt, in der es um Leistung, Erfolge und Siege geht, dreht sich der Verein von der Müllverbrennungsanlage nur noch um sich selbst, was woanders zählt, ist im Volkspark nicht (mehr) wichtig. Für mich, der sich wie gesagt emotional bereits vorher verabschiedet hatte, ist der Verein an diesem Tag gestorben und niemand wird ihn je wieder zum Leben erwecken können.